Wasserzapfen

Im 4. Semester meines Studiums stand das Fach Produktdesign auf dem Lehrplan, wobei jeweils vier Studenten ein Projektteam bildeten.

Aufgrund der Aktualität von Hygiene wegen der ausgerufenen Corona Pandemie entschied sich unser Team aus einer Reihe von Ideen für den Entwurf eines Wasserhahns.

Dieses Produkt reizte vor allem mich, weil es bereits in tausenden Variationen angeboten wird und auf den ersten Blick keiner Neubetrachtung lohnt. Meine Vorstellung war es daher, aus dem profanen, zweckorientierten Reinigen der Hände ein Erlebnis zu machen.

Das Produkt selbst schon sollte wie eine klare Quelle für Sauberkeit stehen und nicht nur als praktisches Hilfsmittel zum Entfernen von unerwünschten Materie. Es sollte eine archaische Reinlichkeit verkörpern, darum wollte ich in dieser Situation auf moderne Technik, wie Sensoren, Displays und gar KI verzichten. Es sollte aus sich selbst heraus sauber sein, wie eine sprudelnde Alpenquelle oder ein von der Sonne beschienener Eiszapfen, der an einem Vordach vor einem Naturpanorama langsam abschmilzt und dessen glasklare Tropfen sich mit einem Glanzlicht in Zeitlupe langsam lösen und herunterfallen.

Eiszapfen haben im Allgemeinen ein positives Image. Wir assoziieren sie mit Skiurlaub, jeder hat schon mal seine Handschuhe ausgezogen, um den glatten Film des kalten Schmelzwassers an den Händen zu spüren. Manch einer konnte der Versuchung nicht widerstehen ihn abzubrechen und zu prüfen, ob er vielleicht doch nach frischer Zitronenlimonade schmeckt, wie uns das in manchen Werbeclips präsentiert wird.

Moodboard zur Formgebung, Quellen unten

Diese angenehmen Gefühle und Erwartungen wollte ich in der Gestaltung des Wasserhahns wiederfinden. Unser Wasserzapfen, wie er bald genannt wurde, sollte die kindlich naive Neugier und den menschlichen Entdeckerdrang nutzen, um letztendlich die Hygiene zu verbessern. Dieses Merkmal unterscheidet ihn von den meisten anderen Wasserhähnen, die sich auf praktische, hygienische, ästhetische oder gar überwachende und bevormundende Argumente beschränken.

Ich musste meine ganze Überzeugungskraft aufbringen um meine Kommilitonen von dieser emotional geladenen Idee zu überzeugen aber zu meiner Erleichterung fand ich in unserem Dozenten argumentative Unterstützung.

Diese eigenwillige Vision stellte unser Team vor neuartige technische, gestalterische und psychologische Herausforderungen und erforderte ein Bedienkonzept, für das es bislang keine Referenzlösungen gab.

Der Wasserzapfen sollte wie ein gewöhnlicher Wasserhahn über einem Becken platziert sein. Der Kontakt mit dem Wasser sollte wie beim Vorbild ein Wasserfilm zwischen Zapfen und der Hand sein. Das Wasser dringt aus zahlreichen kleinen Öffnungen und zwängt sich unaufhaltsam zwischen Zapfen und Hand. Somit reinigt sich der Wasserzapfen durch die Benutzung von selbst.

Wasserzapfen Prototyp im 3D-Druck

Um unsere Idee auf Realisierbarkeit zu überprüfen, erstellten wir einige Funktionsmodelle im 3D-Druck und mit einem Stück Gartenschlauch und konnten damit viele Erkenntnisse sammeln und die prinzipielle Machbarkeit nachweisen. Für einen voll funktionsfähigen Prototypen fehlte uns jedoch die nötige Forschungs- und Entwicklungsumgebung und natürlich die dafür benötigten Gelder und Zeit.

Wasserzapfen Skizze in Fusion 360

Um das Konzept der Selbstreinigung nicht zu unterlaufen, muss die gesamte Bedienung ausschließlich über den Zapfen laufen. Drehen regelt die Temperatur, zu sich ziehen den Wasserfluss, das unteren Ende, dort wo sich beim Vorbild die Tropfen lösen, spendet bei Druck eine kleine Portion Flüssigseife.

Um trotz des Wasserfilms ein sicheres Drehen des Wasserzapfens zur Temperaturregelung zu ermöglichen, darf der Wasserzapfen wohl keinen kreisrunden, glatten Querschnitt haben, sondern muss eine Struktur aufweisen, oder sogar vom Kreisquerschnitt abweichen. Wir erstellten zahlreiche Alternativvorschläge um die Bandbreite der Lösungsvorschläge aufzuweisen.

Moodboard zur Oberflächentextur, Quellen unten

Dabei zeigte sich, dass der hängende Wasserzapfen auch andere Assoziationen zulässt, die im ursprünglichen Entwurf nicht enthalten waren. Die zahlreichen Diskussionen darüber erwiesen sich als sehr schwierig, da Gefühle nicht qualifizier- und quantifizierbar sind, und wir uns oft schwer taten, sie zu vermitteln oder zu verstehen.

Finales Design mit Maßen

Etliche, durch Abstimmung erfolgte Teillösungen sind meiner Meinung nach immer noch zu stark von traditionellen Vorbildern bestimmt, was man dem Entwurf deutlich ansehen kann. Darum habe ich mich für das User-Experience-Designstudium entschieden: Produkte und Dienstleistungen der Zukunft entwerfen, die sich ganz am Menschen und seinen Bedürfnisse orientieren.

Quellen

Die Fotos für das Moodboard zur Formgebung:
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Photo by sohail na from Pexels


Die Fotos für das Moodboard zur Oberfläche:
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Photo by Burst from Pexels
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Photo by julie aagaard from Pexels
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Photo by Juhasz Imre von Pexels
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